Berufliche Neuorientierung und Boreout-Prävention
»Natürlich ist das nicht gerade mein Traumberuf, aber für einen Wechsel ist es nun zu spät.« Diesen Satz haben wir bestimmt alle schon mal gehört – vielleicht sogar selbst gesagt. Häufig wird der Klage ein vermeintliches Pro-Argument hinterher geschoben, das in der Regel jedoch eine Selbstverständlichkeit sein sollte: »Dafür habe ich aber auch einige Freiheiten hier. Ich kann zum Beispiel auch mal früher gehen, wenn es mir nicht gut geht und meine Chefin meckert auch nicht, wenn ich zwischendurch mal privat telefoniere.« Ja, WOW!
Mal im Ernst. Es sollte doch klar sein, dass das keine validen Argumente für einen Arbeitsplatz sind. Solche »Freiheiten« sind das absolute Minimum. Falls du so etwas also schon mal gesagt oder gedacht hast, solltest du dich eher auf die Aussagen deines vorangestellten Satzes konzentrieren, anstatt dir deinen aktuellen Job krampfhaft schönzureden.
Warum handelt es sich natürlich nicht um deinen Traumberuf?
Auf der einen Seite wird uns von klein auf suggeriert, dass Arbeit weh tun muss und auf keinen Fall Spaß machen darf. Auf der anderen Seite gibt es ein ganz konkretes Bild von sogenannten Traumberufen. Dazu gehören Supermodel, Hollywoodstar und Spaceshuttle-Commander. So unterschiedlich diese Berufe auch sind, sie haben einiges gemein: Sie sind für die breite Masse der Gesellschaft unerreichbar, sie bringen viel Prestige mit sich und sie sind fiktiv. Moment! Fiktiv?
Ja, zumindest in der Form, wie man sie sich die jeweilige Tätigkeit gemeinhin vorstellt. Die wenigsten Menschen wissen auch nur ansatzweise wie der Alltag eines Supermodels aussieht, was getan werden muss, um einen Oscar zu gewinnen oder welche Ausbildung nötig ist, um ins All zu fliegen. Sie wissen also gar nicht, ob es sich bei den genannten Berufen tatsächlich um Traumjobs handelt. Sie existieren nur als Idee, nicht jedoch als tatsächliche Option. Und genau deshalb gehen so viele Menschen davon aus, dass es vollkommen normalsei, seinen Traumjob nicht ausüben zu können.
Warum glaubst du, dass es für einen Wechsel bereits zu spät sei?
Unabhängig davon, wie alt du bist, handelt es sich um eine Frage der Perspektive. Entscheidend sollte nicht sein, wie lange du deinen bisherigen Beruf schon ausübst, sondern wie viele Jahre noch vor dir liegen. Wenn du Mitte 40 bist, solltest du dringend aufhören, der Vergangenheit nachzuhängen, sondern dir Gedanken über die Zukunft machen und dich fragen, wie du die zwei kommenden Jahrzehnte in der Arbeitswelt verbringen möchtest.
Und trotzdem trauen sich viele Menschen nicht, die nötigen Schritte einzuleiten, die zu einer erfüllenderen Tätigkeit und somit zu einem erfüllteren Leben führen könnten. Die Grundannahme, dass die Gefahr in der Veränderung liege, scheint bei vielen Menschen Konsens zu sein. Aber welche Gefahr birgt der Status Quo eigentlich?
Die meisten Leute sind bloß mit dem Burnout-Syndrom vertraut. Dabei kann das Boreout-Syndrom ebenso gefährlich sein. Das unterschätzte Risiko an eben diesem zu erkranken, lauert überall dort, wo Mitarbeiter:innen sich langweilen. Zugegeben, Langeweile klingt erstmal nach einem Luxusproblem, doch auf Dauer kann sie zu einer ernsthaften psychischen Erkrankung führen. Wer am Boreout-Syndrom leidet, hat mit ähnlichen Symptomen wie Burnout-Betroffene zu kämpfen (Niedergeschlagenheit, Depressionen, Antriebslosigkeit u.v.m.). Die Ursachen sind jedoch andere und können in zwei grobe Kategorien unterteilt werden: qualitative und quantitative Unterforderung.
Die zwei Formen der Unterforderung
Qualitativ unterfordert sind diejenigen, die keine inhaltliche Herausforderung in ihrem Job haben, nur lästige Routinearbeiten erledigen oder völliges Desinteresse an ihren Aufgaben haben und sich mit ihrem Beruf nicht (mehr) identifizieren können. Betroffene empfinden ihre Arbeit häufig als überflüssig, sehen den Sinn dahinter nicht und haben eine große Sehnsucht nach neuen Aufgaben, interessanten Projekten oder mehr Verantwortung.
Das Problem ist, dass man einmal in den Strudel hingeraten, nur schwer wieder herauskommt. Wer durch permanente Langeweile und Desinteresse an seinen Aufgaben an sich selbst zu zweifeln beginnt, vermittelt dies auch nach außen und bekommt erst recht keine Gelegenheit mehr, das eigene Können unter Beweis zu stellen. So wird der Frust im Job Schritt für Schritt zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Quantitativ unterfordert sind hingegen die, die schlicht und ergreifend zu wenig zu tun haben. In Unternehmen kann es zum Beispiel nach einer Umstrukturierung dazu kommen, dass Mitarbeiter:innen sich überflüssig fühlen. Abteilungen werden zusammengelegt, gewisse Tätigkeiten fallen weg und zurück bleibt ein Vakuum. Betroffene fühlen sich von ihren Vorgesetzten häufig nicht gesehen. Doch aus Angst ihren Job zu verlieren, vermeiden sie es, auf den Missstand aufmerksam zu machen und schlittern in eine Abwärtsspirale hinein.
Natürlich laufen nicht alle Menschen Gefahr, am Boreout-Syndrom zu erkranken, die nicht zu 100 Prozent ausgelastet sind und nicht ihren Traumjob ausüben. Zwischen den beiden Extremen ist eine ganze Menge Platz, dennoch wird das Risiko weitestgehend unterschlagen.
Worst-Case-Szenarien können wir!
Gerade wenn es um berufliche Neuorientierung und Boreout-Prävention, Auszeiten oder andere radikale Neuanfänge geht, wird in unserer Gesellschaft sehr gerne schwarzgemalt: Du willst deinen Job kündigen? Überleg dir das gut, denn du wirst vielleicht nie wieder einen neuen finden und in Hartz IV abrutschen. Wahrscheinlich ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis du die falschen Leute kennenlernst, kriminell wirst und dich in weniger als 18 Monaten zusammengekauert in einer Zelle des Asylums von Gotham City wiederfindest und dir dein altes langweiliges Leben zurückwünschst.
Gänzlich ignoriert wird dabei oft die Tatsache, dass es viel größere und wahrscheinlichere Gefahren mit sich bringt, den vorherrschenden Staus Quo zu halten. Denn wer sein Leben aktiv gestaltet, wägt seine Optionen ständig auf einer rationalen und emotionalen Ebene ab. Und wer wohlüberlegte Entscheidungen trifft, hat meist eine bessere Übersicht über die Gesamtsituation als diejenigen, die den Autopiloten eingeschaltet haben und nur reagieren, wenn es notwendig ist.
Am Boreout-Syndrom zu erkranken, ist nur eine von vielen Gefahren, die dem ungewünschten Stillstand zu verdanken sind. Und ich stimme euch zu: Auch Veränderungen bergen Risiken. Ich bin selbst sogar ein richtiger Profi darin, Worst-Case-Szenarien zu entwerfen. Und im Grunde ist das gar keine so schlechte Taktik, denn wer vorab alle Möglichkeiten durchgeht, kann im Ernstfall nicht so schnell aus der Bahn geworfen werden. Mein Appell lautet daher:
Malt schwarz! Malt euch die wildesten und schlimmsten Szenarien aus! Aber seid konsequent. Wenn ihr schwarzmalt, malt alle Szenarien schwarz. Auch die, in denen ihr den vermeintlich sicheren Status Quo erhaltet, denn auch dort lauern Gefahren!
Mehr dazu kannst du in folgender Episode des Monkey Expedition Podcasts hören:
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